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Tallinn

Wir verabschieden uns von Tartu und richten die Nase wieder gen Norden. Noch sind wir nicht sicher, welche Route wir jetzt einschlagen, wollen aber gern mal wieder raus in die Natur. Der Peipussee, so dachten wir, bietet sich an, einmal wieder im Grünen zu übernachten. Und ich habe die schwache Hoffnung, mal wieder schwimmen zu können. Aber weit gefehlt: es weht ein scharfer Wind, der mächtige See, sieben Mal so groß wie der Bodensee, hat Brandung und die Uferwiesen sind wenig einladend, weil sie von Millionen von Gänsen besiedelt sind, die alles vollscheißen. So fahren wir weiter durch die weite Landschaft. Das Licht ist wunderschön, aber draußen ist es kaum zum Aushalten.

Eine Abwechslung bietet das orthodoxe Kloster Pühtitsa, das man besichtigen kann. Allerdings sind nicht alle Wege freigegeben. Eine junge Nonne fordert mich auf, ihr das Handy zu zeigen, weil sie vermutet, ich habe sie fotografiert. Freundlich, aber sehr bestimmt. Ich kann mich als unschuldig erweisen und werde gnädig entlassen.

Am 12.5. tingeln wir auf kleinen Straßen an der Ostsee entlang. Der furchteinflössende Reichtum der deutschbaltischen Adligen dokumentiert sich unter Anderem in diesem ehemaligen Herrenhaus des Barons von Stackelberg, das heute ein Luxushotel beherbergt. Momentan ist da jedoch ziemlich tote Hose.

Weiters fahren wir an Industrieanlagen vorbei: Papier und Beton. In Jaarna gibt es außerdem ein Auffanglager für Asylbewerber. Der Ort wirkt extrem trostlos. Dann geht es in das Naturschutzgebiet Laheema. Wunderschöne Landschaft mit riesigen Wäldern und kleinen Siedlungen. Ein altes Fischerdorf lockt uns, wir machen einen Rundgang und genießen den unglaublichen Frieden. Hier kann man stundenlang am Wasser in der Sonne sitzen, den flinken Möven zusehen, den Geräuschen des Windes und des Wassers lauschen.

In Vösu wird es dann schon sehr belebt. Wo sich Anfang des 20. Jhdts die Petersburger Generäle, Akademiker aus Moskau, Tallinn und Tartu, Künstler und baltische Adlige die Sommerfrische teilten, erscheint heute die Schickeria aus Tallinn mit zwei Pudeln im Körbchen, das auf einem freien Stuhl am Tisch platziert wird. Man isst Austern, aus Frankreich importiert. Wir halten uns lieber an local food und bekommen zur Vorspeise haudünn geschnittenen rohen Weißfisch (?) mit grünem Apfel, Kräuteröl und Lauch. Als Hauptgericht haben wir uns kleine gebratene Heringe ausgesucht, die mit Kartoffelbrei und einer Majonnaise serviert werden, die winzige Gurkenstückchen enthält. Sehr köstlich. Dazu probieren wir einen alkoholfreien Sider, der ausgezeichnet paßt.

Weiter Richtung Tallinn machen wir noch einen Stopp an einem Wasserfall, der uns aber nicht so sehr beeindruckt. In dieser eigentlich flachen Gegend ist der etwa 8 m hohe Schwall natürlich eine besondere Attraktion.

Unterkunftssuche hier entpuppt sich wieder als nicht ganz einfach, aber am Ende landen wir auf Umwegen (unser Navi lotst uns immer seltsame Wege - diesmal z.B. auf eine Finnbahn) in einem wunderlichen Park mit allerlei Freizeitangeboten. Auf der Wiese klappern sich zwei Störche an.

Der nächste Morgen beschert uns trockenes und bewölktes Wetter. Ich fühle mich müde und ausgelaugt.

 

An der russischen Botschaft





Apotheke von 1422:














Konzert im Dom: Chor der North Florida University Singers mit einem wilden Programm: von Palestrina über Pärt bis zum einem südafrikanischen Xhosa-Lied. Aber tolle Stimmen!




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