Ich war so auf der Suche nach der litauischen Identität.
Wenn man nach Italien fährt, spürt man, dies sind Italiener, die sind so und so gestrickt. So ist es auch mit Franzosen, Wienern, Berlinern, Österreichern, Portugiesen, Ungarn...... hier in Litauen habe ich wenig Litauisches gespürt bisher. Der Maler in Vilnius sagte mir, Vilnius ist eine Inseln, hier ist alles multikulti - aber das ist nur hier so. Ansonsten begegnen wir hier ungefähr 20 Menschen am Tag - okay: es ist kalt - und die wenigsten geben irgendetwas bekannt, weder über ihre optische Erscheinung noch über irgendeine Form von Kommunikation.
Wir fuhren heute noch immer um Vilnius herum und entdeckten einen wunderschönen Park voller Wunder.
auf die Perspective kommt es an |
Das war ein Labsal für Körper und Seele. Es war immer noch kalt, aber halbwegs trocken, und wir wanderten sehr gern in diesem wunderschönen Wald herum, bereit, etwas zu entdecken, uns verunsichern zu lassen, Neues zu lernen. Es gab ein kleines Restaurant, in dem wir Käse-gefüllte Crepes bekamen.
Sehr gestärkt in jeder Beziehung machten wir uns auf die Weiterreise.
Die Landschaft ist schön, teilweise hügelig, das duftige Grün der Birken hebt sich lieblich ab vom Dunkelgrün der Kiefern, manchmal Obstbäume in weiß-schaumiger Blüte, Holzhäuser, viel Wasser im Land, nicht nur Seen.
Zarasai soll eine Fächerstadt sein, sagt unser Reiseführer. Wieder haben wir uns foppen lassen: Fächerstadt klingt romantisch, aber in Wirklichkeit ist der Ort ein langweiliger Zweck ohne Reiz. Warum, fragen wir uns, wenn doch die Lage am See wirklich reizvoll ist?
Der Campingplatz "arbeitet nicht", aber wir sind gut ausgestattet mit allem, nächtigen am Seeparkplatz und kochen uns Schweinefilets mit Rösti und Salat (denn es gibt hier auch kein einziges attraktives Lokal), das wir bedenken könnten. Die Strasse runter zum See bietet immerhin etwas Atmosphäre. Aber wir fragen uns auch, wie sich denn die holzhackenden Jugendlichen hier in dieser pragmatischen und unlebendigen Umgebung fühlen mögen.
am See ist es idyllisch |
Ich hatte mir vorgenommen, dieses Land zu mögen. Aber ich muß gestehen, es fällt mir schwer. Das hat nichts mit dem Wetter zu tun. Alles hier ist spröde, verschlossen, unzugänglich - außer vielleicht in Vilnius, aber Vilnius ist eine Insel, sagte der Maler, mit dem wir sprachen.
So kurz vor der Grenze zu Lettland ziehe ich noch einmal Bilanz. Vielleicht sind die Menschen hier seit Jahrhunderten daran gewöhnt, in Angst und Vorsicht zu leben, weil sie immer wieder von anderen Mächten unterworfen wurden. Vielleicht bauen sie deshalb so intensiv daran, längst verfallene Zeitzeugen, Burgen etc. wieder aufzubauen. Vielleicht sind sie dabei auf der Suche nach ihrer Identität, ihrer Geschichte.
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