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27.09.2022 Letzter Tag auf meinem Camino: Santiago

 

Der Weg ist das Ziel, sagt man. Aber das Ziel zu erreichen, ist auch nicht verkehrt. Also ist das Ziel das Ziel?

 

Als ich heute Morgen im Dunkeln vor mein Häuschen trat, stolperte ich gleich über zwei aufgeregte Pilgerinnen, die mich lautstark und grußlos mit „Camino?“ überfielen.


 

😂. Ich machte sie freundlich darauf aufmerksam, dass hier eventuell noch Menschen schlafen könnten und bedeute ihnen, mir zu folgen. Zur Abwechslung wusste ich ja mal genau, wo der Weg war. Aus allen Richtungen strömten sie wieder zusammen, und diesmal spürte ich die gute Energie, die von diesem Camino-Wir ausging.

 


Der Weg führte durch kleine Dörfchen, ich ging langsam, sah mir alles genau an, ließ mir Zeit.

 




Pilger-Verpflegungs-Automat

25 km sollten es heute werden, auch mit deutlich Höhenmetern, aber das schreckte mich nicht. Zu meiner Überraschung waren die Strecken wirklich schön - ich war viel mehr auf hässliche Straße gefasst gewesen.

 

Ute und Armin bogen um die Ecke, die Kanadier kamen vorbei, Jean-Paul und Julie aus Paris - man sieht sich - hasta luego - und wieder wanderte ich allein im Nebel und hing meinen Gedanken nach.

 

Beim Frühstück im Café traf man sich dann wieder, kleiner Fototermin für Anne Chantal und ging wieder auseinander.

 

So ging es den ganzen Tag.

 

Die Sonne war inzwischen rausgekommen, und ich erblickte zum ersten Mal die Türme der Kathedrale aus der Ferne. 😂 🤣

 


Da war aber noch ein Stück zu gehen.

 

Das Gewimmel in Santiago verwirrte mich und ich wollte endlich ankommen auf dem Platz an der Kathedrale, war aber noch unterwegs, als meine Apple-Watch Vollzug anmeldete. Harald hatte mich geortet und das der Familie mitgeteilt.

 

Ja, was soll ich dazu sagen

 

 

Es war eine spannende, aufregende, manchmal verwirrende, angsteinflößende, mutmachende, sehr schwierige, aber auch leichte Reise. Leicht, weil ich im Laufe der Zeit Vertrauen gefasst habe, dass es was wird mit dieser Pilgerschaft. Es kam mir zunehmend so vor, als könne gar nichts schiefgehen. Und ich habe festgestellt, wie wenig Dinge ich eigentlich brauche. Mein Rucksack enthielt ja eigentlich nicht viel, aber beim nächsten Mal - das weiß ich jetzt - würde ich noch weniger mitnehmen.

Ich habe - glaube ich - einiges über mich selbst gelernt, was ich nicht wieder verlernen bzw. verlieren möchte.

 

Ich glaube, um so etwas machen zu können, muss der Körper dem Kopf folgen. Aber es ist auch wichtig, achtsam mit dem Körper umzugehen und auf Signale frühzeitig zu reagieren. Ich bin manchmal unterwegs im Gespräch gewesen mit meinen Füßen, meinen Beinen, meinem Rücken - habe mich bedankt, dass sie so großartig funktionieren. Wenn sie gemault haben, hab ich sie gepflegt. Ich hatte gute Fußcreme, einen Hartgummiball für die Muskeln und ein kleines Gummiteil zum Schröpfen. Die haben mir immer gute Dienste geleistet. Mein Orthopäde war im Zweifel, ob man mit Kniearthrose 4. Grades eine solche Unternehmung starten könne. Man kann.

 

Ich bin sehr gern allein gewesen, einsam gefühlt habe ich mich selten. Ich fühlte mich sehr getragen von eurer Anteilnahme im Geiste und mit Worten, Texten und Bildern. Auch dafür bin ich zutiefst dankbar.

 

Als ich an der Kathedrale ankam, sah ich viele Pilgergenossen in der Sonne auf dem Platz liegen: erschöpft, glücklich, weinend, ruhend, lachend…

 


…..ich war komischerweise nicht erschöpft.

Aber geweint habe ich auch.

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