Direkt zum Hauptbereich

19.09.2022 Achtzehnter Tag auf meinem Caminho: Viana do Castelo – Caminha

27 km 😂 😂 😂 😂 😂 😂 „Der Caminho gibt dir nicht, was du dir wünschst, er gibt dir, was du brauchst“(Autor unbekannt)
Nach dem gestrigen Tag, der bekanntermaßen in großer Erschöpfung endete, beschloss ich heute früh um Sechs nach gut geschlafener Nacht, zwar bis nach Caminha zu gehen, aber nicht die ganzen 27 km. Ich würde mir ein Uber rufen und die ersten 7/8 km abkürzen. Um Viertel nach Sieben war ich im Frühstücksraum! Das erste frühe Frühstück überhaupt auf meinem Weg. Es gab sogar Haferflocken und frisches Obst. Langsam füllte es sich, u.a. mit Teilnehmern einer organisierten Caminho-Tour, Gepäcktransport inklusive. Zwei von den Teilnehmern waren mir gestern schon aufgefallen: ein ziemlich arrogant auftretendes englisches Ehepaar in den späten 60ern, die natürlich kein Wort Portugiesisch sprachen, und ganz selbstverständlich erwarteten, dass man ihre Wünsche prompt verstand und erfüllte. Ich ging wieder auf mein Zimmer, putzte die Zähne, machte meine Dehnübungen vor den Fernsehnachrichten (Joe Biden war gerade zur Beerdigungsfeier der Queen eingetroffen), packte gemächlich den Rucksack und stand schließlich eine Stunde später als sonst auf der Straße. Es war ein herrlicher Morgen, frisch, etwas bewölkt und die Lemminge mit Rucksäcken waren auch schon wieder unterwegs. 

   

Uber sagte mir, es sei kein Auto verfügbar. „Ach, was soll‘s“ dachte ich, „gehste halt“, und reihte mich ein in die Pilgerscharen. Manchmal sind sie ja doch praktisch, vor allem, weil die Wege aus Städten hinaus oft schwer zu finden sind.

 


Und guck an! Da war ich auf einem Küstenweg, den ich ohne Lemminge nicht genommen hätte (er ist nämlich kein offizieller Jakobsweg). Und schon hatte ich das erste nette Gespräch mit der vierjährigen Lotte und ihrem Papa. Die beiden sind nicht auf dem Jakobsweg, sondern reisen einfach mit Zelt und Rucksack. Lotte war sehr begeistert, dass sie mal eine Zuhörerin hatte (das fehlt ihr ein bisschen, sagte Papa Alex, der Fotograph). Ich war jedenfalls in allerkürzester Zeit bestens informiert über Lottes schwierige Geburt (der Papa griff zwischendrin mal ein, als er mein bestürztes Gesicht sah und versicherte mir: die Mama lebt noch), dass sie jetzt aus dem Atelier in eine Wohnung gezogen sind, dass sie heute Morgen schon schwimmen waren und in Esposende auf dem Spielplatz in einem Piratenschiff geschlafen hatten. Nachdem ich dem Papa noch gezeigt hatte, wo die nächste Möglichkeit, an Trinkwasser zu kommen, ist, verabschiedeten wir uns voneinander und ich setzte meinen Weg am Wasser fort. 

 






Es war recht kurzweilig, wilder Fenchel wuchs am Wegesrand, Reiter kamen vorbei, Mühlenhäuser säumten den Weg. Da ich ja gefrühstückt hatte, entfiel heute meine Pause nach etwa drei Stunden Gehen. Aber ich pausierte trotzdem im Schatten eines geschlossenen Klohäuschens und traf dort einen Teil meiner Frühstücksgenossen und ihren Guide wieder. 

Das war der zweite Glücksfall heute, denn ich wäre ab da die Straße hinauf und durch die Orte gelaufen, aber der Guide zeigte mir, wie ich an der Küste bleiben konnte. Gelbe Pfeile gibt‘s da nämlich nicht. 




Später stand ich mal ratlos vor einem Gewässer, das ich sicherlich queren sollte - aber wie? Schon kam ein tapferer Pilgersmann (aus Luxemburg) aus dem Wald und hatte einen Pilgerführer in der Hand! 

 

Der Arme hatte übrigens fürchterliche Blasen. Wir gingen nicht lang zusammen. 

Dafür dann später mit Clara aus Bochum, 24 Jahre alt, Bundeswehrsoldatin und Medizinstudentin in Aachen. Es war so interessant, was sie alles erzählte über ihre Grundausbildung, was Kameradschaft für sie bedeutet, welche unglaublichen körperlichen Anforderungen man erfüllen muss, wie man lernt, zusammen mit Zwei-Meter-Kerls im Gleichschritt zu marschieren und wozu das überhaupt gut ist. Wir tranken ein alkoholfreies Bier zusammen in einer Bar. Danach wollte ich sie ziehen lassen, hatten ihre Schilderungen doch meinen Respekt gewonnen, aber wir gingen dann doch ein paar Kilometer zusammen. 


Das war dann recht kurzweilig. 

Ich hatte nach etwa 15 km meine Schuhe gewechselt, die Füße gecremt und gelüftet und lief nun in meinen Keen-Sandalen. Das war gut, ich hatte das Gefühl, die brennenden Füße traten heute erst später auf. Clara und ich trennten uns dann bei Moleda, sie wollte zu einem Campingplatz und ich hatte noch meine 3,8 km zu meinem heutigen Quartier. 


Mein letzter Tag in Portugal. Morgen nehme ich die Fähre nach Spanien. 





 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Norway in a nutshell Teil 1

Für die Tage vom 16.8. bis zum 20.8. haben wir uns ein kleines "Norway-in-a-nutshell"-Programm für unseren Besuch ausgedacht. Die Eckdaten sind: Ankunft Flughafen Bergen 16.8. 15:45 - Abflug Stavanger 21.8. 7:30.  Natürlich spielt das Wetter nicht mit, ist sozusagen wieder mal ganz bis mäßig schlecht. Außerdem ist ein Tunnel für Wochen gesperrt, den wir eigentlich benutzen wollten: ein LKW war dort ausgebrannt. An der Straße nach Odda stehen wir  "im Stau" an der Fähre, die wir überhaupt nicht nehmen wollten, weil ein Felsbrocken auf die Straße gefallen ist und diese nun auch gesperrt ist.  Auch das ist Norwegen!  - Die Unternehmungslust kann das alles trotzdem nicht trüben, und es gibt auch so genug zu sehen und zu erleben. Zunächst Bergen by night und eine Übernachtung neben der Eislaufhalle, aus der regelmäßig große Schneehaufen geschoben werden. Bergen ist beschwingt und ganz anders, als wir es gewohnt sind: Menschen auf der Straße, kontaktfreudig, gespr...

"Ich denke sowieso mit dem Knie" Joseph Beuys

Unsere Küche ist ungefähr so groß wie der Stellplatz, den wir in der vergangenen Nacht hatten. Im WoMo muß man sich jede Handlung genau überlegen: wohin setze ich meinen Fuß, um keinen Hund zu treten, was muß weggeräumt werden, damit es beim Fahren nicht klappert, beim Kochen spare ich mit Energie, mit Wasser, mit Platz. Es ist innen eng, dafür außen sooooooo weit: die ganze Welt! Ungeahntes, Neues, Wieder-Entdecken, Vertiefen!  Direkt vor der Türe, und dazu viel Zeit, sich zu nähern, wahrzunehmen und  zu verstehen. In unserer großen Küche daheim gibt es dieses Gefühl nicht so unmittelbar.                      "Golden Gate Bridge" vom Niederrhein, Deutschlands längste Hängebrücke                               ...

Caius ist ein Dummkopf

In C.´ s Kindheit war dies ein Radio-Hörspiel, das wir regelmäßig hörten: Wir entdeckten das Buch heute im LWL-Römermuseum in Haltern. Hier war vor rund 2000 Jahren während der Eroberung Germaniens durch die Römer einer der wichtigsten Truppenstandorte. Damit haben wir - fast! - den Bogen zum letzten Reisebeginn in der Nähe der Porta Westfalica geschlagen, wo Herrmann der Cherusker, auch Arminius genannt, die Römer im Herbst 9 n.Chr. entscheidend schlug. Eine Armee von 20 000 Mann wurde vernichtet und damit ein Ende der Vorherrschaft der Römer in Germanien gesetzt. Im äußerst sehenswerten Museum gibt es nicht nur viele interessante Fundstücke zu bestaunen, sondern auch eine Playmobil-Armee Römer (Dauerleihgabe der "Sendung mit der Maus"), die kreuz und quer durch die ganze Ausstellung eindrucksvoll veranschaulicht, w i e  r i e s i g die 17. 18. und 19. Varus-Legion waren (insgesamt ca. 12 km lang). www.lwl-roemermuseum-haltern.de Als die Römer frech geworden, si...