Direkt zum Hauptbereich

Jeruzalem

Wir sitzen auf der Höhe in der Abendsonne an einem urigen Holztisch, vor, hinter, unter uns Weingärten, klare Sicht über weitere Hügel mit Reben, dazwischen vereinzelt Weizenfelder, kleinste Gehöfte mit bunten Blumen- und Gemüsegärtchen, ab und zu bellt ein Hund (nicht unsere, die sind ganz lieb und müde), in den Obstbäumen zwitschern Vögel, kurzum, wir sind mitten im Weißwein-Weinbaugebiet Jeruzalem. Das WoMo haben wir mit Erlaubnis des Jung-Winzers Püklevec (die dritte Generation,wie wir erfahren) zwischen den Reben geparkt, denn wir verkosten hier ein paar Weine und wollen danach nicht mehr fahren, also übernachten.
C trinkt gerade Šipon, einen sehr trockenen Weißwein, knackig, eine autochthone Rebe hier aus der Gegend, H hat einen süffigen Cabernet Sauvignon im Glas. Auch hier sollen die Franzosen wieder mal ursächlich an der Namensfindung beteiligt gewesen sein: kein geringerer als Napoleon, der den Šipon kostete und "Si bon!" fand. Zuvor hatten wir einen Rosé und einen Muskateller. Wir sind die einzigen Gäste, man kann hier nämlich auch Zimmer mieten, aber außer uns ist keiner da.
Also haben wir alles für uns, man läßt uns ganz in Ruhe, ab und zu kommt der Chef vorbei und fragt, ob wir noch was anderes probieren wollen. Er hat uns zum Übernachten auch einen extra guten Platz gezeigt, von dem wir eine fantastische Aussicht haben.
Dieses kleine Land ist erstaunlich: wir haben heute wieder sicherlich drei verschiedene Landschaften durchquert und das alles auf einer Entfernung von nicht mehr als 70 km!
H, der im Liegestuhl vor den Weinbergen seinen "Rausch" ausruht, findet, daß von seiner Sicht aus die Welt "eine ganz kleine Kugel" ist. Kein Wunder, denn in der Mitte seiner Aussicht liegt ein Weinberg, der ziemlich gleichmäßig nach beiden Seiten abfällt, und da wir an einem Punkt ganz oben sind, geht es dann weiter rechts und links hinab.
Und außerdem sind wir ja in Lummerland, wie C Slowenien inzwischen getauft hat, weil es hier auf kleinstem Raum landschaftlich einfach ALLES gibt. Leider gibt es keinen König Alfons, den Viertelvorzwölften.
Die Fahrt hierher führte durch eine Ebene, die uns beide ein bißchen an Ungarn erinnerte, auch die Dörfer sahen danach aus, kein Wunder, wir sind von der ungarischen Grenze höchstens 70 km entfernt. Maisfelder, gewundene Sträßchen, am Rande des Panoramas sanfte Bergketten.
Die Drava, der Fluß, an dem sowohl Maribor als auch die alte Stadt Ptuj liegen, die wir heute besuchten, begleitete uns. Hinter Ptuj bildet sie einen nicht so kleinen See.
Gekommen sind wir vom Pohorje, da war die Landschaft alpin-gebirgig.
Man spricht hier wieder lieber Deutsch als Englisch, wir sind in der slowenischen Steiermark.
Jetzt gibts Riesling und Chardonnay.
Leider sind auch irgendwelche Presse- oder Fernsehfritzen mit einer Riesen-Kamera gekommen, die unsern Wirt beschlagnahmen.
Ganz feierlich haben sich jetzt alle drei Männer, die hier arbeiten, in ihre blauen Schürzen geworfen und Hüte aufgesetzt und "ernten" Weintrauben für die Kamera. Hoffentlich nicht zu viele, denn dann wird das Ergebnis für dieses Jahr schlecht ausfallen! Die übrige Familie guckt zu und pflückt sich zur Unterhaltung Aprikosen vom Baum.
Ich glaube, wir müssen auf unser Abendbrot noch eine Weile warten.....
Es gab dann noch eine herrliche " kalte Platte", dazu bestellten wir uns den Sauvignon, was ein Fehler war, hätten wir auf Püklevec Junior gehört, wäre ein Šipon das Richtige gewesen. Das Geschwätz der Münchner Journalistin, die selbstverständlich und aufdringlich die Szene beherrschte, summte noch eine Weile in unseren Ohren nach, war aber schnell vergessen. Ein wundervoller Sonnenuntergang befriedete alles.
Aussicht von unserem Platz nach allen Seiten: Hs "kleine Kugel" auf der einen, auf der anderen städtisches Geglitzer in der Ferne, das muß schon Kroatien sein.
Wunderbar ruhig geschlafen!
Heute früh stehen noch alle Gläser und das Geschirr auf den Tischen, überarbeiten tut sich hier niemand. Auch das ist wohltuend.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Norway in a nutshell Teil 1

Für die Tage vom 16.8. bis zum 20.8. haben wir uns ein kleines "Norway-in-a-nutshell"-Programm für unseren Besuch ausgedacht. Die Eckdaten sind: Ankunft Flughafen Bergen 16.8. 15:45 - Abflug Stavanger 21.8. 7:30.  Natürlich spielt das Wetter nicht mit, ist sozusagen wieder mal ganz bis mäßig schlecht. Außerdem ist ein Tunnel für Wochen gesperrt, den wir eigentlich benutzen wollten: ein LKW war dort ausgebrannt. An der Straße nach Odda stehen wir  "im Stau" an der Fähre, die wir überhaupt nicht nehmen wollten, weil ein Felsbrocken auf die Straße gefallen ist und diese nun auch gesperrt ist.  Auch das ist Norwegen!  - Die Unternehmungslust kann das alles trotzdem nicht trüben, und es gibt auch so genug zu sehen und zu erleben. Zunächst Bergen by night und eine Übernachtung neben der Eislaufhalle, aus der regelmäßig große Schneehaufen geschoben werden. Bergen ist beschwingt und ganz anders, als wir es gewohnt sind: Menschen auf der Straße, kontaktfreudig, gespr...

"Ich denke sowieso mit dem Knie" Joseph Beuys

Unsere Küche ist ungefähr so groß wie der Stellplatz, den wir in der vergangenen Nacht hatten. Im WoMo muß man sich jede Handlung genau überlegen: wohin setze ich meinen Fuß, um keinen Hund zu treten, was muß weggeräumt werden, damit es beim Fahren nicht klappert, beim Kochen spare ich mit Energie, mit Wasser, mit Platz. Es ist innen eng, dafür außen sooooooo weit: die ganze Welt! Ungeahntes, Neues, Wieder-Entdecken, Vertiefen!  Direkt vor der Türe, und dazu viel Zeit, sich zu nähern, wahrzunehmen und  zu verstehen. In unserer großen Küche daheim gibt es dieses Gefühl nicht so unmittelbar.                      "Golden Gate Bridge" vom Niederrhein, Deutschlands längste Hängebrücke                               ...

Caius ist ein Dummkopf

In C.´ s Kindheit war dies ein Radio-Hörspiel, das wir regelmäßig hörten: Wir entdeckten das Buch heute im LWL-Römermuseum in Haltern. Hier war vor rund 2000 Jahren während der Eroberung Germaniens durch die Römer einer der wichtigsten Truppenstandorte. Damit haben wir - fast! - den Bogen zum letzten Reisebeginn in der Nähe der Porta Westfalica geschlagen, wo Herrmann der Cherusker, auch Arminius genannt, die Römer im Herbst 9 n.Chr. entscheidend schlug. Eine Armee von 20 000 Mann wurde vernichtet und damit ein Ende der Vorherrschaft der Römer in Germanien gesetzt. Im äußerst sehenswerten Museum gibt es nicht nur viele interessante Fundstücke zu bestaunen, sondern auch eine Playmobil-Armee Römer (Dauerleihgabe der "Sendung mit der Maus"), die kreuz und quer durch die ganze Ausstellung eindrucksvoll veranschaulicht, w i e  r i e s i g die 17. 18. und 19. Varus-Legion waren (insgesamt ca. 12 km lang). www.lwl-roemermuseum-haltern.de Als die Römer frech geworden, si...